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Bucket List

Autorenbild: DianaDiana

Aktualisiert: 19. Sept. 2024





Fasziniert schaue ich im Buchladen auf ein Regal, das gefüllt ist mit Büchern, die «Bucket List» oder «Löffelliste» heissen. Es gibt also Menschen, die genau wissen, was ich noch tun muss, bevor ich sterbe – oder eben den Löffel abgebe. Aber woher wissen sie das? Sie sind entweder super schlau oder vielleicht dieselben, die Horoskope schreiben oder Karten legen. Eine neue Absatzmöglichkeit in der Esoterikbranche…

 

Ich zähle alles zusammen: 100 Dinge, die ich als Frau machen muss, 250 Dinge mit Freunden, 500 allgemeine Dinge, 250 Dinge als Paar, 100 Dinge mit meiner Mutter. Summa summarum sind das 1'200 Dinge, die ich tun muss. Ein Blick auf die Preisschilder zeigt mir aber, dass es viel Geld kostet, mir von wildfremden Menschen sagen zu lassen, was ich zu tun habe.

 

Da ich noch 28 Jahre lebe – ja, ich weiss das –, muss ich jedes Jahr 45 Dinge erledigen. Wenn ich mir erlaube, in den Ferien nichts zu machen, dann bleibt immer noch eine Aufgabe pro Woche übrig. Die anfängliche Faszination weicht schlagartig purem Stress. Schweissperlen bilden sich auf meiner Stirn. Zuerst muss ich auf all meinen Social-Media-Accounts meine Hobbys mit «Abarbeiten Löffelliste» ergänzen und zuhause einen entsprechenden Budgetantrag für die Bücher stellen. Eine kleine Panikattacke kündigt sich an. Wieso hat man nie einen Flachmann dabei, wenn man einen braucht?

 

Ich nehme die Bücher trotzdem mit in die Leseecke des Buchladens. Ich atme tief durch und beginne zu stöbern. Ich soll in meinem Leben einen Baum mit einer Axt fällen – äh, wieso das denn? Ich habe doch gar kein Cheminée. Und weiter vorne im Buch steht dann, dass ich einen Baum pflanzen muss – aha! Sie haben gemerkt, dass man nicht einfach Bäume fällen darf.

 

Manche Aufgaben kann man durchaus miteinander verbinden: An einer Schlägerei teilzunehmen und eine Nacht im Gefängnis zu verbringen lässt sich sicher gut kombinieren. Ob das Gericht wohl Milde walten lässt, wenn ich sage, dass ich es nicht wollte, aber tun musste?

 

Natürlich sind auch allseits bekannte Punkte aufgeführt: Sei lieb zu den anderen. Sei lieb zu dir selbst. Verreise an einen schönen Ort. Lade Freunde auf ein Bier ein. Bis anhin reichten dafür eine gute Erziehung, ein Reiseführer und ein Sixpack im Kühlschrank.

 

Bei all den Büchern, die ich durchstöbert habe, ist mir eines aufgefallen: Die Erstellerinnen und Ersteller solcher Listen scheinen jedenfalls nicht emanzipiert zu sein. Es gibt kein einziges Buch in dieser Sparte, das sich an Väter richtet. Im Verlagswesen gibt es wohl keine Quotenregelung.

 

Dafür habe ich eine Liste. Auf meiner stehen Dinge, die ich von Montag bis Freitag machen muss. Es ist meine Pendenzenliste im Büro. Im Gegensatz zu den Büchern kostet diese Liste nichts. Im Gegenteil: Fürs Erstellen gibt’s Geld und fürs Umsetzen auch. Und in der restlichen Zeit – da mache ich, was ich will.


Veröffentlicht im April 2019 im digitalen Mitarbeitermagazin der BDO AG.


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