top of page

Früher ...

Autorenbild: DianaDiana

Aktualisiert: 19. Sept. 2024




Ja, früher, da war alles besser, da war die Welt noch in Ordnung.

 

Neulich: Mein schon etwas betagter Nachbar blickt bei unserem Kaffeeklatsch auf mein Handy, runzelt die Stirn und fragt: «Warum hast du sechs verschiedene Messenger?» Ich runzle ebenfalls die Stirn – was für eine komische Frage – und antworte wie selbstverständlich: «Weil ich sie alle brauche.» Manche Leute boykottieren die Amis, die anderen die Russen, und der Schweizer Anbieter – wie könnte es auch anders sein – kostet etwas. Mein Nachbar meint dann, dass früher ein Festnetzanschluss für die ganze Familie auch gereicht habe.

 

Au contraire! Ich kann mich gut an den fast täglichen Streit mit meinen Eltern erinnern, weil ich das Telefon stundenlang besetzt hielt. Es war wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen, als wir ein Telefon mit langem Kabel bekamen und ich endlich ohne die neugierigen Ohren meiner Eltern in meinem Zimmer telefonieren konnte. Stundenlang – bis entweder meine Schwester ihren Anspruch aufs Telefonieren geltend machte oder meine Eltern wollten, dass ich aufhöre, da es schliesslich Essenszeit sei. Teenagerhysterie in den schrillsten Tönen, wenn ich nicht hören wollte und der Stecker gezogen wurde – überzeugt, meine Eltern ruinierten damit mein Leben.

 

Früher hatte man auch noch Brieffreunde und keine Messenger. In der guten alten Zeit wurden die Briefe mit der Postkutsche ausgetragen und für den «Short-Message-Service» waren die Brieftauben zuständig. Dann gab es natürlich auch noch Rauchzeichen. Doch diese würden den heutigen Datenschutzgesetzen überhaupt nicht mehr gerecht werden. Zudem würde das Feuer Greenpeace auf den Platz rufen – ein CO2-Ausstoss wie ein SUV, und von den möglichen Waldbränden wollen wir gar nicht erst sprechen.

 

Ich habe einen digitalen Brieffreund, mit dem ich schon seit Monaten schreibe. Die kritischen Stimmen folgten auf dem Fusse: «Pass auf mit Onlinebeziehungen, du verlierst den Bezug zur Realität.» Eigenartigerweise hat mich in meinen Jugendjahren nie jemand vor meinem analogen Brieffreund Matthias aus der Ostschweiz gewarnt oder unser Hin- und Herschreiben als Beziehung bezeichnet.

 

Diese Früher-war-alles-besser-Sätze sind sicherlich gut gemeint, doch ich mag sie nicht – ich lebe im Hier und Jetzt. Früher, in der „guten alten Zeit“, wurde die Wäsche auch noch im Fluss gewaschen, und das muss nun wirklich nicht mehr sein! Ein Hoch auf Waschmaschinen und Messenger.

 

Ich lächle meinen liebenswerten Nachbarn an: Ja, ich brauche sie alle. Ich mag den Austausch mit meinen Freunden. Wann, wo und wie ich möchte. Es bedeutet für mich Freiheit, und die geniesse ich. Wenn ich keine Lust habe oder es mir zu viel wird, schenke ich mir einfach einen Offlinemoment – wie früher, wenn man den Telefonbeantworter eingeschaltet hat.

Comentários


Newsletter - verpasse nichts mehr!

Vielen Dank für deine Anmeldung!

  • Instagram
  • Facebook
  • Linkedin

© 2024 Schwarz Kommunikation

bottom of page