
Ich liebe Eishockey. Der Sport ist schnell, kraftvoll und zuweilen auch zügellos. Zwischendurch fliegen Fäuste, und als der Mundschutz noch uncool war, auch gerne Zähne.
Daher bin ich natürlich Feuer und Flamme, als ich ein Ticket für das Spitzenspiel «meiner» ZSC Lions am Abend bekommen habe. Ich rufe zu Hause an und erzähle aufgeregt über das unverhoffte Geschenk eines Freundes:
Ich: «Ich habe ein Ticket für das heutige Spiel in der Halle bekommen.»
Er: «Cool, geniess es, geh doch frühzeitig hin, trink noch ein Bier und iss eine Wurst.»
Ich: «Ich esse doch nicht allein eine Wurst!»
Er: «Warum nicht?»
Ich: «Das geht nicht.»
Er: «Warum geht das nicht?»
Ich: «Man isst nicht allein.»
Er: «Als du allein in Nizza warst, hast du da nichts gegessen?»
Ich: «Ist nicht das Gleiche.»
Er: «Wieso nicht?»
Ich: «Allein ist nicht gleich allein.»
Er: «Äh…»
Ich: «OK, ich gehe an den Match, aber ohne Wurst.»
Also gehe ich ganz weit aus meiner Komfortzone raus und schleiche kurz vor Spielbeginn in die Halle. Glücklicherweise weiss ich, wo mein Platz ist. Allein umherzuirren, wenn schon alle sitzen, ist nicht minder schlimm, als allein eine Wurst zu essen.
Mein Sitznachbar, ein älterer Mann, isst genüsslich einen Burger und Pommes. Er spürt wohl meinen hungrigen Blick und hält mir grosszügig seine Pommes hin. Dankbar futtere ich ein paar davon und schenke ihm dafür mein schönstes Lächeln.
In der ersten Pause stellt sich mein Nachbar vor. Er heisst Hugo und sein Kollege Peter. Ich bin etwas irritiert, dass sie mich gar nicht fragen, ob ich allein bin. Ihnen scheint es nicht wichtig zu sein. Es sitzt, gemäss Hugo, eine gut riechende junge!!! Frau auf dem freien Sitzplatz – ich mag Hugo.
11'000 Menschen in der Halle, ein charmanter Nachbar, und doch fühle ich mich mausbein allein. Ganz besonders, wenn der ZSC ein Tor schiesst. Fluchen, Schimpfen und Jammern geht ganz gut mit fremden Männern. Doch was mache ich bei einem Tor? Hugo umarmen, auf die Schulter klopfen oder doch lieber ein simples High Five?
Frauen gehen nicht nur nicht allein zu einer Sportveranstaltung. Frauen gehen auch nicht allein in eine Bar. Meine Erklärung dafür ist simpel und logisch: Wir Frauen können nicht eine Stunde still vor einem Drink sitzen. Die Natur hat das so für uns nicht vorgesehen – genauso wenig wie den alleinigen Gang zum Klo.
Gemäss Frauenzeitschriften liegt es jedoch daran, dass wir Frauen weder verzweifelt noch bedürftig wirken wollen. Und schon gar nicht wie ein Freak, der keine Freunde hat. Ständig sind wir überzeugt, dass ein Scheinwerfer auf uns gerichtet ist. Nun gut, dank genau diesem Scheinwerfer zwängen wir uns in möglichst enge Jeans, und die High Heels könnten höher nicht sein.
Männern scheint diese Welt völlig unbekannt zu sein. Sie gehen solo zum Klo, sitzen wie selbstverständlich allein am Tresen und im Stadion breitbeinig in ihren Sitzen. Ihre Aufmerksamkeit gilt einzig dem Bier und dem Spiel.
Der ZSC gewinnt, ich winke meinen Nachbarn lächelnd zu und verschwinde kurz vor dem grossen Aufbruch leise durch die Hintertüre. Bis bald, und wer weiss, vielleicht gibt es ja nächste Saison einen ZSC-Ladies-Club – mit Drinks, High Heels und jeder Menge Umarmungen.
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