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Wo ist meine Midlife-Crisis?

Autorenbild: DianaDiana

Aktualisiert: 19. Sept. 2024




Zwei junge Frauen reden nebenan über alte Leute, also Leute, die so vierzig Jahre alt sind. Sie bemerken mich, und es folgt ein lächelndes, beschwichtigendes "man ist nur so alt, wie man sich fühlt". Je nach Wochentag und Uhrzeit variiert das bei mir von einer vierjährigen Göre, die am Samstagmorgen in der Migros rumtobt (Kolumne Vater-Kind-Happening), über einen siebzehnjährigen Backfisch am Abend im Ausgang bis hin zu einer Siebzigjährigen, die am Morgen danach mit viel Gestöhne ihren Kater spazieren führt.

 

Vier Jahrzehnte vergehen, bis man "alt" ist. Die Kinderjahre sind meist fremdbestimmt – ausser man kommt in den Genuss der antiautoritären Erziehung. Als Teenager folgen der erste Pickel, das erste Verliebtsein und das erste Schulschwänzen. In den Zwanzigern steht das Gefühl von Unsterblichkeit über allem. Anfang Dreissig wird voller Tatendrang das gesamte Wissen in die Karriere gesteckt und eine Familie gegründet.

 

Dann folgen die Vierziger. In diesem Alter ist man in der unglücklichsten Phase seines Lebens. Alles wird hinterfragt. Man befindet sich im finsteren Tal der Tränen. Als absoluter Höhepunkt wird auch noch die berühmt-berüchtigte Midlife-Crisis prognostiziert. Sie fegt über alles hinweg und hinterlässt ein wüstes Feld von zerstörten Ehen, leeren Bankkonten, Sinnkrisen und schlechter Laune. Was für Floristen der Valentinstag ist, ist für Harley-Händler die Midlife-Crisis.

 

Es gibt jedoch Fachleute, die überzeugt sind, dass es die Midlife-Crisis als einmaliges Ereignis nicht gibt – aus der Selbstreflexion resultieren ohnehin alle paar Jahre Änderungen. Es gibt aber auch jene Fachleute, die überzeugt sind, dass sie ausschliesslich den Besserverdienenden, die nicht von Existenzängsten geplagt werden, vorbehalten ist.

 

Noch bin ich entspannt. Ein solch grosses Ereignis würde bestimmt in meinem Jahreshoroskop stehen und ich wüsste, wenn es mich erwischt. Dieses Jahr ist nichts vorgesehen – ich bin aber auch noch keine Veganerin (Kolumne Januar Blues).

 

Vielleicht schleiche ich mich aber auch durch die Vierziger durch oder werde so alt, dass ich mein "Midlife" erst mit 60 habe. Wobei, ich bin mir gar nicht sicher, welches das kleinere Übel ist – will ich nun 120 Jahre alt werden oder doch lieber Augen zu und durch? Ich darf während meiner Krise immerhin mein ganzes Geld verprassen – ich würde in Kunst investieren und Jimmy Choos in allen Farben kaufen. Und gegen meine schlechte Laune darf auch niemand etwas sagen. Denn ich habe schliesslich die Midlife-Crisis.

 

Ganz nach dem Sprichwort "auf Regen folgt Sonnenschein" geht es ab den Fünfzigern, und da sind sich ausnahmsweise alle einig, wieder aufwärts. Man akzeptiert das eigene Leben, hat vielleicht auch Neues ausprobiert und ist zufrieden und glücklich. Der Topf Gold am Ende des Regenbogens ist greifbar.

 

Ob es die Midlife-Crisis nun gibt oder nicht, ich kaufe mir zur Sicherheit schon heute eine Harley und brause, an den Füssen ein Paar Jimmy Choos, mit Vollgas durch die Vierziger. Dann komme ich mit wehenden Haaren ― irgendwann einmal ― in den Fünfzigern an und geniesse die prognostizierte Zufriedenheit und Glückseligkeit.

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